Schreiben über den Tellerrand (5)

Station 5 : Asien/ Persische Dichtkunst: RUBAI

Heute machen wir Bekanntschaft mit persischer Dichtkunst, die bis ins 11. Jahrhundert reicht. Als Beispiel lernst du ein Rubai  kennen. Es besteht aus vier Zeilen und weist folgendes Reimschema auf: a-a-b-a. Es reimen sich also die erste, zweite und vierte Zeile, die dritte bleibt ungereimt. Ein Rubai kann auch aus mehreren Vierzeilern bestehen und enthält ursprünglich einen mystischen oder philosophischen Gedanken. Hier eine Nachdichtung des deutschen Orientalisten Friedrich Rosen:

Zum Meister ging ich einst – das war die Jugendzeit.

Dann hab ich mich der eigenen Meisterschaft gefreut.

Und wollt ihr wissen, was davon das Ende ist?

Den Staubgebor’nen hat wie Staub der Wind zerstreut     (Quelle:Wikipedia)

Schreibimpuls 5

Hast du einen oder mehrere Lieblings-Sinnsprüche? Nimm einen Sinnspruch als Grundlage für ein Rubai. Du kannst natürlich auch ohne diese Hilfe ein Rubai dichten. Es kann auch hilfreich sein, zunächst Reimwörter zu finden und dann die Zeilen „aufzufüllen“.

Viel Spaß beim Reimen und Dichten!

Schreiben über den Tellerrand(4)

Station 4 Afrika: Geschichten und Gedichte

Besuchen wir heute den afrikanischen Kontinent und schauen, was uns die kenianische  Schriftstellerin Sitawa  Namwalie zu sagen hat:

„Als Kind wurden mir sehr viele Geschichten erzählt, nicht nur von meiner Großmutter, all die Frauen rund um mich erzählten mir Hunderte von Geschichten, Kindergeschichten, Märchen und so weiter. Und dabei gab es immer ein Element der Performance. Die besten Geschichtenerzähler waren auch gute Darsteller. Ich habe diese Fähigkeit aufgenommen, diese Art, Geschichten zu erzählen. Meine Gedichte sind in vielerlei Hinsicht wie Geschichten. Manche sind reine Poesie, aber viele sind poetische Geschichten, die die Leute auf eine Reise mitnehmen, ihnen eine emotionale Erfahrung vermitteln.“

Ihre Gedichte, in denen sie Geschichten erzählt, handeln von Ungerechtigkeit, von Einflussnahme, von Unterdrückung und Aufbegehren, von Politik und Identität und von Liebe.

„Viele Dinge können nur durch Poesie ausgedrückt werden. Oder besser: Man kann sie auf vielerlei Weise ausdrücken, aber sie berühren die Menschen nur in einer poetischen Form.“

 „Wenn ein Gedicht auftaucht, muss man es einfangen. Am Anfang sagte ich mir: Ich schreibe, wenn wir anhalten. Nein. Selbst wenn man in Bewegung ist, muss man eine Möglichkeit finden, die ersten paar Zeilen festzuhalten, sonst vergisst man sie. Und dann sind sie weg.“ (Quelle: DLF Kultur)

Von Véronique Tadjo,(Elfenbeinküste), stammt dieses Gedicht:

Die Ballade einer Fremden
Ich bin fremd im Land in dem ich geboren wurde
aber nie gelebt habe
Fremd im Land in dem ich lebe
aber nie geboren wurde
Fremd hier, jetzt
mir selber fremd

Erinnern wir uns also auch an die Geschichten, die wir in unserer Kindheit gehört oder gelesen haben. Erinnern wir uns auch an die Geschichten die wir erlebt haben und lassen Erinnertes in ein Gedicht einfließen. Verwenden wir dabei die Technik des seriellen Schreibens. Man beginnt einige Sätze zu schreiben, die immer mit demselben Wort oder Satzanfang beginnen.

Schreibimpuls 4

Schreibe über 10 Minuten lang Sätze auf, die mit den Worten „Ich erinnere mich an…“ beginnen. Wähle dann aus den Sätzen vier aus, vielleicht hat sich ein Thema herauskristallisiert?

Schreibe dann ein Gedicht, das aus fünf  Zeilen besteht. Vier Zeilen  beginnen mit den Worten „Ich erinnere…“ In der letzten, der fünften Zeile, wird etwas verändert. Das kann der Anfang sein, das kann ein zusammenfassender Gedanke sein oder eine andere Idee. Vertraue deiner Kreativität!

Schreiben über den Tellerrand (3)

Station 3 Südamerika: Kalligramm (Figurengedicht)

Machen wir heute einen Sprung auf einen anderen Erdteil. Auch in Südamerika ist Kreatives Schreiben weit verbreitet. Man ist dort darauf fokussiert, Lyrikformen aus verschiedenen Ländern in Schreibgruppen zu praktizieren. Das interkulturelle Schreiben hat seine Quellen also dort. Bei einem Kalligramm erfährt ein meist lyrischer Text eine grafische Gestaltung.

Schreibimpuls 3

Lege deine Hand auf ein Blatt Papier und umfahre ihre Umrisse. Schreibe nun einen Text über dich um alle Finger herum. Beginne den Text mit „Ich…“

Alternativ: Zeichne die Umrisse eines Baumes und lass den Baum „sprechen“. Lass dir von ihm den Text diktieren, den du um die Umrisse herum schreibst.

Schreiben über den Tellerrand(2)

Station 2 China: Autobiografisches Schreiben/ Krisenbewältigung:Mind-Map

Kreatives Schreiben wird in China seit 2006 gelehrt. Dabei hat es sich als besonders hilfreich beim Englisch -Lernen bewährt. Zurzeit erlebt das autobiografische Schreiben in China Konjunktur. Es wird angewandt als Mittel, die eigene Geschichte und die Zeitgeschichte mit ihren Krisen aufzuarbeiten. Diese Art der Krisenbewältigung findet sich auch in der „Graswurzelbewegung“. http://www.forumcivique.org/de/artikel/china-das-l%C3%A4ndliche-china-retten

Wir erleben im Moment eine weltweite Krise, die uns auf besondere Weise mit China verbindet. Viele erleben sie auch als persönliche Krise mit ganz unterschiedlichen Auslösern. Angst vor Ansteckung, Existenzbedrohung, Vereinsamung sind nur einige dieser Auslöser. Krisen durchlaufen verschiedene Phasen, hier dargestellt als Mind-Map.

Kurze Beschreibung der Methode

Mind-Mapping ist eine Arbeitsmethode, die ein flexibles, kreatives und (so wird behauptet) gehirngerechtes Arbeiten ermöglicht. Sie wurde von Tony Buzan in den 1970er Jahren auf der Grundlage von gehirnphysiologischen Hypothesen entwickelt.
Mind-Mapping ist eine spezielle Art sich übersichtliche Notizen zu machen. Im Gegensatz zur klassischen linearen Struktur der Aufzeichnungen, ist die Mind-Map eine auf den ersten Blick übersichtliche „Karte“, die das zentrale Thema sofort erkennbar machen soll. Im Zentrum steht das Thema/ein wesentlicher Aspekt und von da aus verzweigen sich alle Gedanken. In dieser Darstellung der Verzweigungen kann man übersichtlich lernen, planen und organisieren, auch Referate und Präsentationen strukturieren.

Das Krisen-Mind-Map

Schreibimpuls 2

Sammle zu den Hauptästen des Krisen-Mind-Maps alle Ideen und Einfälle. Beschreibe mithilfe dieser Gliederung dann deine autobiografische Krise, das kann die Corona-Krise sein, aber auch jede andere persönliche Lebenskrise lässt sich so gliedern, analysieren und beschreiben.

Viel Erfolg dabei!

Schreiben über den Tellerrand (1)

In diesem Kurs möchte ich mit vielen „Schreibreisenden“ durch verschiedene Länder reisen, um die dort verbreiteten und entwickelten Schreibtechniken und –methoden kennenzulernen und auszuprobieren. Wir bereisen in den nächsten zwei Wochen Nord- und Südamerika, Afrika, Asien, und Europa. Dieses Angebot richtet sich an alle, die gern schreiben oder es ausprobieren wollen, die nach Inspiration und Methoden suchen, um eigene kreative Ideen aufs Papier zu bringen und Freude am spielerischen Umgang mit Sprache haben. Dabei kann es sehr reizvoll sein, einmal „über den Tellerrand zu schauen“, zu sehen, wie in anderen Ländern und Kulturen Kreatives Schreiben praktiziert wird. Vorerfahrungen sind nicht notwendig. Im Übrigen empfehle ich das Schreiben mit der Hand!

Viel Spaß bei dieser „Schreibreise“!

Kreatives Schreiben hat eine lange Tradition, einige Techniken (z.B. das Akrostichon) waren schon im Mittelalter bekannt. Im 19. Jahrhundert entstanden im europäischen Raum erste Seminare des Kreativen Schreibens, in denen literarisches Schreiben praktiziert  wurde.

Ein Meilenstein des Kreativen Schreibens, das als kreativer Prozess verstanden wird, bildet die Entwicklung des „Clustering“, wie es Gabriele Rico in ihrem Buch „Garantiert schreiben lernen“ darstellt. Das Kreative Schreiben im Sinne  eines kreativen Prozesses benutzt eine bewusst gestaltete Inszenierung von Schreibsituationen. Die dabei angewandten Techniken ( z.B. Freewriting,  Meditieren zu inneren Vorstellungen oder Gegenständen, das Clustering , das Schreiben zu Bildern, Musik und literarischen Texten  sowie das bewusste Arbeiten mit Hindernissen, wie nicht ohne weiteres zusammenpassende Reizwörter) werden als Angebot zur selbstständigen Entfaltung von Gestaltungsmöglichkeiten betrachtet.

Station 1 USA : FREEWRITING

Starten wir mit unserem „Kontinentenhopping“ in den USA, wo es seit dem 19. Jahrhundert eine Bewegung des Kreativen Schreibens gibt. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat dort der Amerikaner Ken Macrorie das „Freewriting“ entwickelt. Diese Methode soll helfen, die Angst vor dem leeren Blatt zu nehmen. Häufig befürchten wir, dass das, was wir schreiben, nicht mit dem übereinstimmt, was eigentlich geplant war. Viele von uns kennen auch noch das Urteil „Thema verfehlt“ unter einem Schulaufsatz. Beim Freewriting, dem ganz schnellen Schreiben, soll die innere Kontrollinstanz ausgeschaltet werden. Wir schreiben drauflos, ohne auf Rechtschreibung, Satzbau und Grammatik zu achten. Freewriting ermöglicht es so, Rhythmus, Bilder, Metaphern, besondere Ausdrücke, Ideen und freie Assoziationen zu fördern. Nach einem Freewriting ist man oft erstaunt über die Themen und Gedanken, die auf das Papier geflossen sind. Dabei kann Unsinniges ebenso wie Tiefgründiges nebeneinanderstehen. Oft finden sich auch gute Ideen, die zum weiteren Schreiben eines Textes führen.

Schreibimpuls 1

Schreibe für 10 Minuten so schnell du kannst ohne den Stift abzusetzen. Korrigiere nicht, denk nicht über bessere Formulierungen nach, schreib einfach, was dir in den Sinn kommt. Wenn dir das „Drauf-Los-Schreiben“ (noch!) schwerfällt, schau aus dem Fenster und schreib auf, was du siehst. Beginne dabei deinen Text mit den Worten „Ich sehe…“. Wenn der Schreibfluss ins Stocken gerät, beginne einfach wieder mit „Ich sehe…“.

Viel Entdeckerfreude dabei!