Schreibend ins neue Jahr (10)

Willkommen zum Tag 10 des Schreibkurses!

Warum nicht von Schriftstellern lernen? Das Gestalten nach einer literarischen Vorlage ist ein vielversprechender Versuch, um ein Gefühl für Rhythmus und sprachliche Gestaltung zu bekommen. Dabei wird man auch irgendwann seine eigene „Stimme“ entwickeln.

Für diese Übung möchte ich zunächst zwei sehr unterschiedliche Gedichte vorschlagen. „Avenidas“ von Eugen Gomringer, ein Gedicht, das in die Kritik geraten ist. Der Vorwurf lautet, es sei sexistisch. Auch das vielleicht ein guter Grund, es „umzudichten“. Durch seine klare Struktur eignet es sich gut als Vorlage für eine Nachgestaltung.

„Nicht fertig werden“ ist die Überschrift des zweiten Gedichtes. Es stammt von Rose Ausländer.

Schreibimpuls

Lies dir beide Gedichte laut vor, sodass du ihren Rhythmus und ihre Bilder gut aufnehmen kannst.

Entscheide dich dann, welches Gedicht dir als Vorlage für einen eigenen lyrischen Gestaltungsversuch dienen soll.

Zum Gedicht von Gomringer:

Wähle ein Thema, das dich im Moment beschäftigt, vielleicht Corona? Fertige dazu ein Cluster an. Wähle dann aus deinem Gedankenschwarm drei Worte, mit denen du dich an der Nachgestaltung von „Avenidas“ ausprobieren möchtest. Besondere Bedeutung kommt dabei dem letzten Wort zu, das ja ein umfassendes ist, eines, in dem sich das Thema „verdichtet“.

Zum Gedicht von Ausländer:

Schreibe die Überschrift Nicht fertig werden mit: und beginne dann, die Dinge aufzuzählen, die in deinem Leben wichtig sind, die du nicht vermissen möchtest, die dich weiterhin begleiten sollen. Lass deine Gedanken dazu ungebremst und ungefiltert auf das Papier fließen. Verzichte dabei auf ganze Sätze. Einzelne Wörter, Satzfragmente – alles ist möglich. Wenn du stockst, fahre fort mit den Worten Nicht fertig werden mit:

Mach das ungefähr drei Minuten lang. Dann notiere – wieder ganz spontan –  wem du zuhören möchtest, wen du bewunderst, auf welche Gefühle du nicht verzichten möchtest. Gestalte dann deine Notizen nach der Vorlage von Ausländers Gedicht.

Hier die beiden Gedichte:

avenidas 

avenidas y flores 

flores

flores y mujeres

avenidas

avenidas y mujeres

avenidas y flores y mujeres

y un admirador  

Hierzu die im Internet kursierende Übersetzung (ich weiß nicht, von wem sie ist):

Alleen 

Alleen und Blumen

Blumen

Blumen und Frauen 

Alleen

Alleen und Frauen

Alleen und Blumen und Frauen und 

ein Bewunderer

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Nicht fertig werden

Die Herzschläge nicht zählen

Delphine tanzen lassen

Länder aufstöbern

Aus Worten Welten rufen

horchen was Bach

zu sagen hat

Tolstoi bewundern

sich freuen

trauern

höher leben

tiefer leben

noch und noch

nicht fertig werden

ROSE AUSLÄNDER

Schreibend ins neue Jahr (9)

Willkommen zum Tag 9 des Schreibkurses!

Heute lernst du das erweiterte Cluster kennen. Schau dir dazu das Cluster von gestern mit dem Kernwort „Kreis“ noch einmal an.

Schreibimpuls

Such dir aus den assoziierten Begriffen des „Kreis“-Clusters ein Wort aus und mach es zum Kernwort eines neuen Clusters. Verfahre dann so weiter, wie du das bisher schon praktiziert hast.

Vergleiche die beiden Miniaturen von gestern und heute miteinander. Stellst du Übereinstimmungen, Erweiterungen, neue Gedankengänge fest? Vielleicht hältst du deine Erfahrungen mit dem Clustern fest.

Schreibend ins neue Jahr (8)

Willkommen zum Tag 8 des Schreibkurses!

Auch heute steht das Cluster im Mittelpunkt. Jedes Cluster beginnt ja mit einem Kreis. Der Kreis ist ein Symbol für Ganzheit, er ist auf einen Mittelpunkt bezogen, er konzentriert und bündelt. Vielleicht hast du schon bemerkt, dass die eingekreisten Wörter des Clusters ganze Gedankenketten in sich bergen. Beim Schreiben konzentrieren wir uns zunächst auf „Miniaturen“. Sie stellen eine ganzheitliche Form dar, die sich aus dem Cluster entwickelt und können einen oder mehrere Abschnitte umfassen. Miniaturen können eine geschlossene Betrachtung und Darstellung eines Themas sein, sie können aus freien Versen, einem Dialog oder einem kleinen Prosatext bestehen.

Schreibimpuls

Fertige ein Cluster mit dem Kernwort „Kreis“ an und lass dich von einer Gedankenkette zu einer Prosa- oder Lyrikminiatur inspirieren.

Schreibend ins neue Jahr (7)

Willkommen zum Tag 7 des Schreibkurses!

Heute geht es weiter mit dem Clustern! Dazu ein Zitat von Gabriele L. Rico: „Das Clustering macht sich das kindliche, staunende, neugierige, spielerische, offene, flexible, nach Mustern suchende Denken zunutze, das ich als bildlich bezeichnet habe und dank dessen wir ein kreatives Spiel mit Sprache, Ideen, Rhythmen, Bildern, Lauten und Mustern entfalten können, bevor wir uns auf eine bestimmte Richtung festlegen. Kurz, wir erweitern das Spektrum unserer Möglichkeiten.“

Schreibimpuls

Finde ein eigenes Kernwort. Es kann ein Thema sein, dass dich im Moment besonders beschäftigt oder eines, das dich schon lange begleitet. Die Wortart spielt im Übrigen keine Rolle, du kannst ein Nomen, ein Verb, ein Adjektiv oder eine Präposition wählen. Du kannst dir aber auch ein Kernwort aus diesen Vorschlägen aussuchen: Kontakt –  2021 – Schnee – Winter– loslassen – spielen – friedlich – allein –schön – mit – ohne –  zwischen. Beginne nun mit dem Kernwort in der Mitte des Blattes und lass deine Ideen übers Blatt schwärmen. Wenn du einen Impuls spürst, schreib los!

Schreibend ins neue Jahr (6)

Willkommen zum Tag 6 des Schreibkurses!

Heute geht es um die wohl bekannteste Methode beim Kreativen Schreiben. Du lernst das Clustern kennen.

Vorschau(öffnet in neuem Tab)

Kurze Beschreibung der Methode

Das Verfahren (cluster: engl.= Büschel, Gruppe, Anhäufung) wurde Anfang der 80er Jahre von der deutschstämmigen Lehrerin Gabriele L. Rico in den USA als Lernmethode entwickelt. Sie versuchte damit, der Schreibmüdigkeit ihrer Schüler*Innen entgegenzuwirken. Das Cluster soll als kreative Arbeitstechnik der Ideenfindung und der Visualisierung von Gedanken dienen. Hierzu wird ein Schlüsselbegriff auf ein leeres Blatt Papier geschrieben und eingekreist. Nun schreibt man spontane Assoziationen um das Kernwort herum auf. Diese Assoziationen ergeben wieder neue Schlüsselbegriffe, die eingekreist und miteinander verbunden werden. Dieser Verbund wird als Assoziationskette bezeichnet. Jede neue Assoziationskette setzt immer beim Cluster-Kern an. Es entsteht eine netzartige Skizze aus Ideen, ausgelöst durch den ersten Schlüsselbegriff. So entsteht ein Cluster oder Gedankenschwarm. Aus diesem heraus kann nun ein Schreibanlass gefunden werden.

Bildergebnis für cluster kreatives schreiben

Beispiele: (Quelle:Wikipedia)

Bildergebnis für cluster kreatives schreiben

Schreibimpuls

Schau dir deine Notizen von Tag 5 an. Kreise drei von deinen „Gefühlswörtern“ ein und wähle dann eines aus, das du zum Kernwort deines Clusters machst. Schreibe dieses Wort in die Mitte eines leeren Blattes und kreise es ein. Lass jetzt deine Assoziationen um das Kernwort wie oben beschrieben kreisen. Wahrscheinlich spürst du irgendwann einen Impuls und schreibst los. Das wird in der Theorie des Kreativen Schreibens als „Umschaltreflex“ bezeichnet. Die erste Textidee kann das erste Wort eines Satzes, ein erster Satz, ein kleiner Text sein. Lass dich überraschen, wohin dich deine Assoziationen und dein Impuls führen.

Viel Spaß beim Clustern! In den nächsten Tagen werden wir uns weiter mit dieser Methode beschäftigen.

Schreibend ins neue Jahr (5)

Herzlich willkommen zu Tag 5 des Schreibkurses!

Stimm dich auf deine heutige Schreibzeit so ein: Nimm deine Schreibutensilien, wähle deinen Lieblingsplatz und zünde eine Kerze an.

Schreibimpuls

Schau etwa zwei Minuten lang in den Kerzenschein. Achte dabei auf deine Gefühle. Notiere sie nach den zwei Minuten und hebe diese Notizen für eine spätere Schreibübung auf.

Kreise nun eines der „Gefühlswörter“ ein und erstelle dazu ein Akrostichon, bei dem die assoziierten Wörter von oben nach unten gelesen einen Satz ergeben.

Ein Beispiel:

W enn

Ä rger

R uht

M ilde

E ntsteht

Ich wünsche dir eine gute Schreibzeit! Auch im Schreiben kann man Achtsamkeit erleben.

Schreibend ins neue Jahr (4)

Willkommen zum Tag 4 des Schreibkurses!

Wahrscheinlich sehen unsere Wünsche für das neue Jahr 2021 anders als in vorhergehenden Jahren aus. Grund genug, sich diese Wünsche zu vergegenwärtigen und schriftlich festzuhalten. Dafür eignet sich das ABCdarium hervorragend. Dabei werden die Buchstaben des ABC untereinandergeschrieben. Anschließend wird zu jedem Buchstaben dem Thema entsprechend assoziiert, es können auch jeweils mehrere Wörter sein.

Schreibimpuls:

Erstelle ein ABCdarium zu deinen Wünschen an das neue Jahr. Sei dabei nicht bescheiden, nicht zurückhaltend, nicht nur realistisch, sondern genau das Gegenteil! Lass dich davon überraschen, welche Wünsche dir plötzlich bewusst werden!

Viel Spaß dabei! Schreiben überrascht

Schreibend ins neue Jahr (3)

Willkomen zum Tag 3 des Schreibkurses!

Heute könnt ihr ein Anagramm erstellen. Bei einem Anagramm werden die Buchstaben eines Wortes neu geordnet, sodass sich ein neues Wort ergibt.

Beispiel: Aus einer P A L M E wird eine L A M P E oder eine A M P E L .

Anagramme werden auch verwendet, um eine geheime Botschaft zu übermitteln. Die Leser*Innen von Harry Potter wissen vielleicht, wer sich hierin verbirgt: I am Lord Voldemort.

Echte Buchstabengleichheit herzustellen gelingt natürlich eher selten, deshalb verwende ich beim Kreativen Schreiben gerne ein erweitertes Anagramm. Dabei kann man nach Wörtern suchen, die sich aus den Buchstaben des Ausgangswortes bilden lassen, ohne dabei jeweils alle Buchstaben zu benutzen. So stecken zum Beispiel im Wort Jahresbeginn die Wörter Berg, haben, Gabe, Reh, ja, nein, sagen, sein, Hase, rein… und sehr viele andere!

Schreibimpuls

Suche nach Wörtern, die sich aus den Buchstaben des Wortes Winterlandschaft bilden lassen. Schreibe dann mit möglichst vielen dieser Wörter einen Text. Auch andere Wörter sind natürlich erlaubt! Lass dich überraschen, zu welchem Thema es dich führt. Allerdings gibt es noch eine Regel: Der Text soll genau 100 Wörter umfassen, man spricht dann von einem „Drabble“-Text.

Viel Spaß beim Suchen, Finden und Schreiben! Schreiben überrascht!

Schreibend ins neue Jahr (2)

Willkommen zum 2.Tag des Kurses!

Heute schlage ich noch einmal eine Variante des Akrostichons vor, diesmal zum Namen einer Person, die du gut kennst, aber zu der du im Moment – coronabedingt- keinen oder wenig Kontakt haben kannst.

Schreibimpuls:

Schreibe die Buchstaben des Namens untereinander. Assoziiere zu jedem Buchstaben ein Wort, eventuell eine Eigenschaft, die du mit dieser Person verbindest.

Variante: Schreibe jeweils einen Satz in eine Zeile. Schreibe etwas, was du dieser Person gerne mitteilen möchtest.

Vorschlag: Verschicke Neujahrsgrüße mit Akrostichons!

Beispiel:

M utig

A chtsam

R esolut

I nteressant

O rdentlich

N eugierig

Viel Spaß beim Schreiben! Schreiben verbindet!